Ich habe das flatternde Bündel auf dem Boden nicht aus den Augen gelassen. Habe den Warnblinker angemacht und bin ausgestiegen. Ich habe gehofft, dass das Vögelchen sich berappelt und wegfliegt. Habe überlegt, was ich mache, wenn das Tierchen schwer verletzt ist. Was macht man dann?
Als ich ausgestiegen bin, lag die Kohlmeise, wie ich dann sah, regungslos am Straßenrand. Ich habe aus der Altkleidertüte, die noch im Kofferraum lag, ein altes Shirt geholt und die Meise hochgehoben.
Da lag sie warm, äußerlich unversehrt und dennoch tot in meiner Hand. Ich habe sie mitgenommen und vor dem Spanischkurs in einem Grünstreifen unter einem Gebüsch abgelegt. Ich brauchte ein paar Minuten, ehe ich in den Kurs gehen konnte, da ich erstmal meine Gedanken sortieren musste.
Ich weiß nicht, warum mich das so mitgenommen hat. Vielleicht, weil wir im Garten gerade ein Pärchen fleißig fütternder Meisen haben und ich mich gefragt habe, ob diese Meise auch gerade Nachwuchs großzieht. Vielleicht, weil ich nicht verstanden habe, dass der Autofahrer, der den Vogel erwischt hat, nicht angehalten hat, obwohl er das eindeutig bemerkt hat. Da war ein kurzes Zögern, Bremsen, Schulterblick, Weiterfahren. Ich war weit genug dahinter, ansonsten war die Strasse frei, so dass es keine Gefahr gewesen wäre, einfach den Blinker zu setzen und rechts ran zu fahren.
Tja, da kann man sowieso nichts mehr machen? Oder war der Fahrer genauso unsicher wie ich? Gibt es da ein Richtig oder Falsch?
Ich weiß es nicht und eigentlich ist es auch egal. Aber in diesem Moment war es mir wichtig, mich zu kümmern, auch wenn ich nur der unbeteiligte Dritte war.
19:47 Uhr
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